in Seelsorge sehr positiv - ein Einblick
Die 'Online-Beratung' lässt sich sicher nicht in allen Fällen anwenden, jedoch gibt es Bereiche, in denen sie wirklich gute Arbeit leisten kann.
Ich habe wie diANaone ebenfalls Jugendliche, im Bereich der Seelsorge und während meiner Studienzeit, betreut. Das Programm läuft über einen kirchlichen Träger, wird professionell und supervisorisch begleitet, aber eben auch ehrenamtlich getragen, PeerToPeer.
Zunächst gibt es Schulungen, die zum einen die teschniche Umsetzung erklären und natürlich auch leicht verständlich das Vorgehen in Beratungen. Beispiele schon laufender Betreuungen durch andere Teilnehmer und natürlich auch Übungsmails, die dann in der Gruppe reflektiert werden.
Es gibt einen Pool an Mails, immer (egal wo) zu viele Anfragen für zu wenig Berater. Die Berater haben die Wahl, welchen E-Mailpartner sie sich wählen, mit der ersten Mail wird oft vorsichtig und unsicher angeklopft, durch ankreuzen können die Suchenden ihr Problem auf ein spezifisches Gebiet eingrenzen (Missbrauch, Drogen, Gewalt, Schwangerschaft, Suizid...). Auch die grobe Herkunft, Alter, Wohnsituation - alles freiwillig, aber es hilft sich ein gröbstes Bild zu machen von der möglichen Lebenswelt des Klienten und ob man zueinander passt.
Ich hatte selbst über zwei Jahre ein jugendliches Mädchen betreut. Ziel war nicht Akkord-Beratung, ein vielleicht zwei Klienten, mehr ist schon nicht tragbar und kann gerade für jugendliche Berater sehr belastend sein.
Eingetragen hat sie sich selbst mit Suzidgedanken. In den Gesprächen kamen wir den Wurzeln näher: Missbrauch, Depressionen, unterkühltes Elternhaus das den Missbrauch als Lüge abtut, Mobbing, Schlafstörungen, Trennung der Eltern, Angszustände, später die Diagnose zum Borderline... Man weiß nie sicher, welches Faß man sich greift und oft tauchen neue Probleme während der Zeit auf. Man begleitet eben.
Man kann auch per Mail eine gute, stabile Beziehung zu seinem Klienten aufbauen und Beziehungsarbeit ist hier wohl die größte Komponente. Ich gab meiner Klientin auch Einblicke in mein Leben, so wie sie mir in ihres.
Durch die gegebene Anonymität, fällt auf beiden Seiten auch mehr die Hemmschwelle, wir unterhielten uns (auf ihr Fragen) auch über meine negativen Erfahrungen, die Schnittstellen, ganz bewusst, freundschaftlich aber professionell. Nicht weil ich Redebedarf hatte: Ihr half das, da ihre Freunde diese Gespräche verbaten, das nicht ertrugen und sie sich allein fühlte in einer Welt voll glücklicher Menschen.
Die Mails mit Persönlichkeit zu versehen ist wichtig, mit Profi-Blabla und "Aha, wie fühlst du dich dabei" kommt man nicht weit, es ist zu kalt, zu emtionslos, gerade bei gefühlsgeladenen Teenagern.
Die Emails lassen sich entspannt beantworten, keine Hetze, man kann sich Gedanken machen, an Antworten feilen um Missverständnise zu umgehen. Die Worte des Klienten mehrmals lesen, Sinn hinterfragen, zwischen den Zeilen lesen. Der Klient widerrum ist angehalten mit sich selbst in den Dialog zu treten, zu reflektieren, wenn er mir in Worten ausdrücken will, was in ihm vorgeht. Er liest sich auch selbst, schwarz auf weiß.
Der Mailverkehr war sehr unterschiedlich, mal mehrere in der Woche oder am Tag, dann wieder für Wochen Funkstille. Das muss man aushalten.
Ein Abschiedsbrief mit Selbstmordabsicht war darunter, hart vorm Rechner zu sitzen mit gebundenen Händen. Wenige Tage später eine erlösende Mail.
Nach Monatem des Kontakts die virtuelle Begleitung in Therapien und Langzeitunterbringungen, auch dort hielt der Kontakt. Ich gab ihr eine Übersicht, der Möglichkeiten, Therapieformen, Aufklärung die man Kindern und Jugendlichen gerne vorenthält. Bestärkte sie den Therapeuten zu wechseln, da sie sich beim ersten total unwohl und gezwungen fühlte, die zweite Therapeutin verstand ihren Job, mit ihr rollte endlich alles los.
Je besser es ihr ging, desto länger wurden die Abstände zwischen den Mails, bis sie ganz ausblieben, doch auch das hatten wir so vereinbart - Ich bin so lange da, wie sie mich braucht und wenn sie nicht mehr schreiben möchte, soll sie kein schlechtes Gewissen haben. Ihre Abschiedsmail hat mich mehr als gerührt, sehr schön.
Natürlich tauchen auch hier Schwierigkeiten auf, gerade im rechtlichen Sinne, ob ein Abschiedbrief die Ortung der IP legitimiert, das Einschalten der Polizei, ob es dem Berater vorbehalten ist aktiv zu werden oder nicht.
Die Supervisoren gaben Halt, lasen sich die Mails der Berater auch vorher oder bei erfahrerenen, stichprobenartig durch.
Die Fälle werden dokumentiert, als Schnellansicht der Supervisoren oder falls ein Berater aufhört und Klienten übergeben muss.
Insgesamt eine schöne Erfahrung und auch wichtige Tätigkeit, die teilweise sehr unterschätzt oder gar belächelt wird.
Ein Allheilmittel sicher nicht, sicher auch nicht immer mit gutem Ausgang - aber das bekommt die FaceToFace-Beratung auch nicht hin.