Ich beschäftige im Moment sehr mit dem Thema "Kriegskinder" und "Kriegsenkel", das Sabine Bode in ihren zwei Büchern angerissen hat. Diese Traumata wirken immer noch fort, und viele Verhaltensweisen lassen sich erklären, wenn man ein Verständnis dafür entwickeln kann. Ich kann mittlerweile eine spannendes Muster erkennen: Wenn eine Familie von Kriegstraumata betroffen ist, dann gibt es einen Moment, der lange vor dem eigentlichen Fluchtgeschehen, den Kriegserlebnissen liegt: Der Moment, in denen die Kinder bemerkt haben, dass die Eltern sich größte Sorgem machen - Kinder merken das schon an der Angstanspannung auf der Körperebene, wenn etwas nicht stummt (Beispiel: in Ostpreußen erkannte man im September/Oktober, spätestens aber im November 44, dass man der Propaganda keinen Glauben mehr schenken kann und dass Schreckliches passieren wird). Es reicht schon die jahreszeittypische Natur, z.B. ein bestimmtes Wetter, eine bestimmte Umweltbedingung aus, um dieses fest konditionierte Gefühl von großer innerer Unruhe aus zu bekommen, die sich über die Generationen weitervererbt, ohne dass sie selbst das folgende Kriegsgeschehen erlebt hat. Diese Unruhe sitzt fest und ist tief, und sie ist nicht bewusst, später wurde oft auch nie darüber gesprochen. Es ist nicht an Jahreszeiten gebunden. Wo meine Familie gelebt hat, kam diese Unruhe vor dem Kriegsende in Nordhessen im Ende März. Das ist genau jetzt, und ich habe erkennen müssen, dass mich das auch betrifft. Unsere Familie ist dort ungewöhnlich unruhig, und fast alle inneren Krisen, Dramen, Trennungen ect. fanden bei uns immer in dieser Zeit statt oder brachen sich den Weg. In dieser Zeit habe ich mehr als sonst zu tun, um mich selbst zu beruhigen. Ich habe die Mittel und das Wissen dazu, Gott sei Dank. Ich habe Sabine Bodes Bücher vor zwei Jahren gelesen, und das hat auch in meiner Arbeit sehr viel bewegt.
Da erlebt man Klienten, die plötzlich anfangen zu weinen, wenn man nur in der Anamnese fragt, ob es bestimmte Jahreszeiten für Unruhe gibt, und ob sie wissen, wo und wann ihre Mutter oder Großmutter Kriegserlebnisse hatten.
Ich lese dann gerade noch "Brain Talk" von David Schnarch und "Würde" von Gerald Hüter.
David Schnarch ist ja auch ein Thema, wenn es um Sex geht. Mehrere großartige Bücher.